Amtliche Meldung

Kurzgeschichte Teil 5: “Der Finger von Tüwkow”

Folge Fünf

Mike, sein Kumpel Jan und Dorfpolizist Schutkow haben bei ihren
Nachforschungen zwar herausbekommen, wo der Schmuck gestohlen wurde,
aber den Mann, dessen abgetrennter Finger jetzt im Kühlschrank der
Polizeiwache liegt, haben sie noch nicht gefunden. Jan hat eine Wildkamera
aufgestellt, um den Täter bei der Suche nach dem vergrabenen Benzinkanister
zu filmen.
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Das Foto der Wildkamera war erstaunlich scharf und zeigte auf eine
Entfernung von zwanzig bis dreißig Metern alle Details. Nur im Hintergrund
wurde es unscharf.
Unter den gut erkennbaren Details war wieder die unbekannte und wieder
unkenntliche Person, die neben dem Gedenkstein stand und ins Gebüsch blickte.
Ein Parka mit Kapuze über dem Kopf, eine Hand in der Jackentasche. Die
Schuhe waren wieder nicht zu sehen. Ich konnte nicht einmal genau sagen, ob
es ein Mann oder eine Frau war. „Ihr müßt nach hinten gucken, Richtung Straße.“ Jans Stolz über sein Bild war deutlich zu hören.
Im Bildhintergrund gab es zwischen den unscharfen Bäumen einen
unscharfen weißen Fleck. Die Kamera zeigte am Gedenkstein vorbei in
Richtung der Landstraße, die führte in etwa hundert Metern an dieser Stelle
vorbei.
„Und?“ „Diese weiße Form da im Hintergrund. Das sieht doch aus wie ein
geparktes Wohnmobil, oder?“ Er sah Schutkow und mich an, weil wir es nicht
sofort auch sahen. „Kann sein“, meinte Sheriff Schutkow und kniff die Augen zusammen. „Kann ein Wohnmobil sein, das an der Straße hält. Kann aber auch ein
vorbeifahrender Laster sein. Oder ein Betonmischer.“
„Nee, der Umriss ist doch eindeutig von einem Wohnmobil. Und das ist
geparkt, das fährt nicht. Eindeutig, sage ich euch.“ Jan blickte von Schutkow zu
mir und zurück. „Kann man danach fahnden lassen?“
„Ganz einfach nach einem Wohnmobil? Ohne weitere Details? Und damit
jeden Touristen in der Gegend unter Verdacht stellen? Das ist nicht
durchführbar.“ Der Polizist schüttelte den Kopf. „Dazu brauchen wir mehr.“
„Den Schmuck haben wir doch schon zuordnen können. Und die
Geldscheine?“
„Die Kollegen aus Kargestorf haben das mit der Sparkasse geprüft. Die
Scheine im Tresor in der Wache stammen eindeutig aus einem der
Geldautomaten, der in den letzten Wochen bei denen gesprengt wurde.“
„Cool“, sagte Jan. „Gibts Finderlohn?“
„Macht euch keine Hoffnungen. Aber ich habe wirklich etwas Neues.“
Schutkow räusperte sich. „Der Fingerabdruck aus der Schublade ist nicht
bekannt, in keiner Datei, in ganz Europa nicht. Aber der Fingerabdruck passt
zum Finger.“
„Der Finger ist bestimmt erst nach dem Einbruch bei Monika Makisch
abgetrennt worden. Aber wie kommt dann sein blutiger Abdruck in die
Schublade?“
„Ich denke auch, dass der Finger beim Einbruch noch an der Hand war.
Aber wir brauchen den Arm und das Gesicht zu der Hand.“ Schutkows Handy
klingelte. „Entschuldigt.“ Er ging nach nebenan und begann zu sprechen.
Ich hatte noch eine Frage an Jan. „Hat der Tierarzt schon etwas zu unserem
Keiler gesagt? Gibts bald Keule und Schinken?“
Jan schüttelte den Kopf. „Er hat sich gemeldet, aber er hat mir die rote
Karte gezeigt. Das war ein echter Hegeabschuss, wir haben dem Tier viel Leid
erspart. Die Wunde am Hinterlauf hatte gestreut, der Basse hatte eine
beginnende Blutvergiftung und der Knochen war schon vereitert. Das Tier war
ziemlich abgekommen, das hatten wir im Dunkeln nicht richtig gesehen. Nicht
verkehrsfähig, sagte er. Und damit für den menschlichen Verzehr nicht
geeignet. Aber es gab keine Spur von ASP, auch eine gute Nachricht.“
„Für dich als Revierinhaber. Aber Keule und Schinken satt, das wäre für
mich eine gute Nachricht gewesen“.
Er lachte. „Das holen wir nach. Sauen gibts derzeit genug.“
Schutkow beendete Anruf. „Wir fahren hin“, hörten wir noch. Dann war er
wieder bei uns und nahm seine Jacke vom Sessel. „Hinter dem Grossen Holz ist
ein Wohnmobil auf einem Waldparkplatz stecken geblieben.“
„Und da musst du hin? Das ist doch etwas für den ADAC oder den
Abschleppdienst.“
Er nickte. „Da sollte ich hin. Ein Kennzeichen aus Holland.“
Sheriff Schutkow klopfte an die Tür des Wohnmobils. Ich war froh, dass
ich auf der richtigen Seite der Tür stand.
Die Tür öffnete nach außen. In der Öffnung stand ein Mann, der sich mit
beiden Händen am Türrahmen festhielt. Er war unrasiert und bleich, Haare
klebten an seiner verschwitzten Stirn. Sein T-Shirt zeigte Schweißränder, die
Jeans hatte dunkle Flecken an den Oberschenkeln. Er sah au,s wie ich mich
fühle, wenn ich Fieber habe.
Aber wir konnten seine Hände nicht sehen.
„Wir haben Ihren Kanister gefunden“, sagte Schutkow und wir sahen, dass
der Mann kurz zuckte. „Ich bin Polizeihauptmeister Schutkow. Das hier“,
Schutkow machte eine Kopfbewegung, ohne den Mann aus den Augen zu
lassen, „ist ein Zeuge. Ich habe dazu ein paar Fragen. Treten Sie bitte heraus.“
Der Mann schüttelte den Kopf, das strengte ihn an und er musste tief
einatmen.
„Treten Sie bitte heraus.“ Schutkow legte die Hand auf das Holster an
seiner Hüfte.

Verlag Weberhof
Siebo Woydt
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…wie die Geschichte weiter geht, erfahren Sie morgen!

 

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