Amtliche Meldung

Kurzgeschichte Teil 3: “Der Finger von Tüwkow”

Folge Drei
Bei ihrem Jagdausflug finden Mike und sein Kumpel Jan im Wald bei Tüwkow einen
Kanister, in dem sie blutbeflecktes Geld, Schmuck und einen abgetrennten Finger entdecken.
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Unter dem Schmuck ist ein alter Ehering, dessen Gravur sie entziffern können.
Endlich hatten wir uns den Ehering unter einer Schreibtischlampe und mit einer alten Lupe näher ansehen können. Von der Gravur war noch „Monika 12.04.1976“ erkennbar. Schutkow sah mich an. „Du kennst doch dein Dorf. Sagt dir das was?“
„Da gibt es nur eine Möglichkeit, die mir sofort einfällt. Wenn der Ring wirklich hier
aus Tüwkow stammt. Monika Makisch, sie hat bei der Renovierung des Konsum mitgemacht und ist jetzt eine unserer treuesten Kundinnen. Mitte siebzig und seit vielen Jahren verwitwet.
April 76 kann bei ihrem Alter als Hochzeitsdatum passen. Genau weiß ich das nicht, meine Eltern wissen das wahrscheinlich, die waren damals zur Hochzeit eingeladen, und zur Silberhochzeit. Sie hat ein Häuschen mit Garage aus den Sechzigern, direkt am Waldrand.“
Mein Handy brummte kurz. Eine SMS von Jan, der wollte heute früh als erstes die
Wildkamera auslesen. Wir nahmen an, dass sich tagsüber wohl niemand an den Fundort begeben würde, also sollten uns die Fotos der Nacht weiterhelfen.
Er hatte tatsächlich ein Foto von einer Person, die am Gedenkstein etwas zu suchen schien, aber mit Parka und Kapuze im Gesicht könne man von der Person selbst nichts erkennen. Die Schuhe seien auf dem Bild nicht zu sehen, Fußspuren hätte er keine gefunden.
Also nix, lautete seine zweite SMS. Ich dankte ihm und informierte Schutkow.
Der hatte wohl mehr erwartet. „Wildkamera. Na ja, einen Versuch war es wert.“
„Besser als gar nichts. Immerhin wissen wir jetzt, dass jemand auf der Suche nach der Beute ist.“ „Oder auf der Suche nach Pilzen. Wenn wir diesen Jemand dort treffen und ansprechen, dann hat er sofort eine Ausrede. Bringt nichts. Ich spreche jetzt mit dieser Frau Makisch.“
Ich griff nach meiner Jacke und ignorierte, dass er mit den Augen rollte.
Auf dem Weg zu Monika musste Schutkow hart bremsen, weil ein Wohnmobil aus
einer Seitenstraße kam und ihm schlingernd die Vorfahrt nahm. „Touristen“, schnaubte er. Gut war er heute nicht drauf.
„Die sind wichtig für die Gegend“, beruhigte ich ihn. „Und sie kaufen gerne bei uns im Konsum. Gut, dass wir den Namen behalten haben. Für die Touristen ist das herrlich nostalgisch.“
Er schnaubte wieder. „Aber nur für die Touristen.“
Kurze Zeit später hielten wir am Waldrand vor Monikas Häuschen.
„Geld? Klar habe ich Geld im Haus, zum Einkaufen. Das verstecke ich in der Küche.
Aber das sind nie mehr als zwanzig Euro.“ Sie sah Schutkow von unten an und vergrub die Hände in der Kittelschürze. „Mehr ist nicht drin, bei meiner kleinen Rente.“

Dann blickte Monika zu mir herüber. „Mike, was soll das?“ Ihr Gesicht mochte faltig sein und die Zähne etwas schief stehen, aber ihre Augen waren klar und wachsam. Schutkow nickte. „Dann stammen 25.000 Euro in einem Benzinkanister nicht von Ihnen?“
Die alte Makisch schüttelte den Kopf. „Bestimmt nicht. So viel Geld habe ich noch nie auf einem Haufen gesehen. Und bei mir fehlt nichts.“
„Dürfen wir mal nachsehen?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Ist aber nicht überall aufgeräumt.“
„Monika, wir haben Schmuck gefunden und einen Ehering mit ‚Monika zwölfter April Sechsundsiebzig‘.
Ihre Hand ging zum Hals. „Das ist unser Hochzeitsdatum.“ Sie hielt mir die andere
Hand entgegen, ein goldener Ring saß am Ringfinger, schmal und matt. Ihre Hand zitterte.
„Hier steht ‚Karl‘ drin, mit gleichem Datum. Ist aber kaum noch zu erkennen.“
„Wo hebst du denn Karls Ring auf?“
„Im Schlafzimmer natürlich, in seinem Nachttisch.“ Sie ging voran, Schutkow und ich folgten.
Durch das kleine Haus waren es nur ein paar Schritte bis in das Schlafzimmer.
Ein Schrank, der eine ganze Wand einnahm und ein altes Doppelbett mit hölzernem Kopf- und Fußende. Früher war alles weiß gestrichen gewesen, jetzt sah das Holz aus wie Elfenbein. Nur die linke Seite des Bettes war bezogen, auf dieser Seite stand eine kleine Lampe auf dem Nachttisch, daneben lagen eine Brille, ein Kreuzworträtsel und eine Packung
Tabletten.
Sie zeigte auf den leeren Nachttisch. „Da muss alles drin sein. Ich war schon seit
Wochen nicht mehr dran. Wann trage ich schon mal meinen Schmuck? Das stört nur bei der Hausarbeit. Und man hat dauernd Angst, etwas zu verlieren.“
Schutkow kniete vor dem Nachttisch nieder und zog an der Schublade.
„Die klemmt ein bißchen“, sagte Monika hinter uns.
Er zog stärker und die Schublade rutschte ihm entgegen. Schutkow sah hinein.
„Das hier ist jetzt ein Tatort.“
Die Schublade drehte er so, dass wir hineinsehen konnten.
Sie war leer, aber auf dem Boden der Schublade war ein großer blutiger Fingerabdruck.

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